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Selbstversuch auf der Neusser Kirmes

  • August 28, 2016

Als der Mann mit der kurzen Hose und der dunklen Sonnenbrille mir das Mikrofon reicht, weiß ich, jetzt wird es peinlich. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Ein Praktikum als Anheizer an einer Losbude auf der Neusser Kirmes.

Ich Idiot.


Neuss: Kirmes zum Schützenfest eröffnet

FOTO: Liveblog RP

Am Abend zuvor ertappe ich mich dabei, wie ich den Begriff “Losbuden-Sprüche” bei Google eingebe. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, kopiere ich mir einige Kalauer auf mein Smartphone. Nur für den Fall der Fälle, sage ich mir. Nur, falls ich einen Blackout haben sollte.

Plötzlich stehe ich auf dem heißen Asphalt vor der “Boutique Top Shop” von der W.Zündorf A.Jabs GbR. Über meinem Kopf baumeln riesige Plüschtiere in allen möglichen Farben. Elektroartikel von Toaster bis Hoverboard sind hinter mir aufgereiht. Genauso wie kitschige Kuschelkissen mit der Aufschrift “Tag und Nacht dein Schutzengel, der über dich wacht!”.


Neusser Schützenfest 2016: So schön war der Fackelzug

FOTO: Berns, Lothar

Diese herzergreifende Romantik erreicht mich leider im absolut falschen Moment, denn ich habe einen Job zu erledigen. Es ist brütend heiß in der Mittagssonne, mein langärmliges Hemd – ich Idiot Teil zwei – ist nassgeschwitzt. Nicht die richtigen Voraussetzungen für ein Praktikum dieser Art. Doch der Chef der Losbude, der Mann mit der kurzen Hose und der dunklen Sonnenbrille – ich darf ihn Andreas nennen – erweckt nicht den Eindruck, als akzeptiere er Ausreden. Los geht’s.

Um das Eis zwischen mir und den Kirmesbesuchern zu brechen, kaufe ich mir einige Lose, um sie an ausgewählte Personen zu verteilen. Ich bin in Gönnerlaune. Drei Freilose biete ich einem bärtigen Mann in Unterhemd an. “Keine Sorge, die größte Niete steht hier am Mikrofon”, sage ich. Der Mann verzieht schmerzverzerrt das Gesicht und macht ein Tuschgeräusch. Er lehnt die Lose ab und sagt: “Ich nehme nichts von Nieten.” In dem Moment wird mir klar, aus welchem Stoff Losverkäufer gestrickt sein müssen. Man braucht wohl eine dicke Hornhaut auf dem Herzen.

Aber jetzt bin ich warm – wäre auch seltsam, wenn nicht bei diesen Temperaturen – und feuer direkt den nächsten Kalauer hinterher: “Ich sag’ immer: besser Glückslos als arbeitslos”. Ein Mann mit weißem Hemd und Gelfrisur klopft mir auf die Schulter. Es wirkt wie eine Mitleidsbekundung. Ich hoffe, die Farbe in seinem Gesicht kommt von der Sonne und ist keine Fremdschamesröte. Er nimmt meine Freilose an, gewinnt jedoch nichts. Ein kleiner Junge hat ein wenig mehr Glück. Er sammelt 70 Punkte und greift sich eine grüne Plastik-Schildkröte aus dem blauen Trostpreis-Korb. Die Hauptgewinne, für die man zum Teil mehrere tausend Punkte braucht, scheinen unerreichbar.

Eine Viertelstunde hat mir Andreas gesagt, wie wichtig es ist, das System zu erklären. Witze kämen nicht gut an. Den Ratschlag muss ich gezwungenermaßen überhören, denn wirklich kapiert habe ich das System nicht. Auf jeden Fall zählen nicht nur die Punkte, sondern auch bunte Herzen, von denen man am besten sechs in unterschiedlichen Farben hat. Ich verzichte auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Nach einer guten halben Stunde bin ich erlöst. Andreas reicht mir eine kalte Flasche Wasser mit Sprudel und sagt: “War okay.” Begeisterung klingt anders, aber das kalte Wasser ist für mich in diesem Augenblick der Hauptgewinn.

Im Video sehen Sie, wie sich unser Autor an der Losbude angestellt hat, und wie die Kirmes-Besucher auf ihn reagiert haben.

In unserem Live-Blog berichten wir live von allen Highlights des Schützenfestes. Klicken Sie sich rein!

Hier geht es zu den Bildern von der Kirmes-Eröffnung.

Wie anstrengend ist das Schützenfest? Wir haben einen Schützen mit Fitness-Armband und Co. losgeschickt. Wie es ihm ergeht, lesen Sie hier.

Alles rund ums Neusser Schützenfest 2016 gibt es in unserem Special.

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