Domain Registration

SPD im Aufschwung – Der Schulz

  • February 26, 2017

Der Aufschwung der SPD in den Umfrage-Werten ist so durchschlagend, dass sich sogar schon Satiriker herausgefordert fühlen, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz als neuen Heiland zu verspotten. Überraschend ist die Trendwende in dieser Größenordnung auch für den Betroffenen selbst. Plausible Erklärungen lassen sich dennoch finden. Sieben Gründe für den Schulz-Effekt:

  1. Zwölf Jahre Merkel In unserer schnelllebigen Zeit sind zwölf Jahre Amtszeit, die Merkel im Herbst absolviert haben wird, eine enorm lange Phase. Unabhängig von der Kritik, die es an der Kanzlerin und beispielsweise an ihrer Flüchtlingspolitik gibt, hat sich bei vielen Bürgern eine Ermattung Merkel gegenüber eingestellt. Dies mag auch mit ihrer defensiven Art zusammenhängen. Sie steht für Ruhe und Stabilität. In Zeiten, da in vielen demokratischen Ländern die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind, die Welt in Unruhe ist und sich die Deutschen um ihren Wohlstand sorgen, haben die Bürger ganz offensichtlich den Eindruck, dass das Land eher eine Offensiv-Kraft braucht.
  2. Die Schwäche der Konkurrenz Die Union insgesamt hat das gleiche Problem wie die Kanzlerin individuell: Nach zwölf Jahren an der Regierung wirkt die Partei ausgelaugt. Sie verfügt nur über wenig Personal, das mit Energie und Esprit die Schlagzeilen und die Talkshows bespielt. Der zersetzende unionsinterne Streit hat die Schwesterparteien zudem geschwächt. Schulz profitiert auch davon, dass Grüne und Linke in dieser Wahlperiode als Opposition nur wenig auf sich aufmerksam machen konnten. Den Grünen fehlen die Themen, mit denen sie punkten könnten. Mit dem Aufkommen der AfD waren die Linken damit konfrontiert, dass ein Teil ihrer Anhänger schlicht Protestwähler sind und sich damit auch gerne von der AfD vereinnahmen lassen. Die AfD wiederum ist durch ihre Machtkämpfe so mit sich selbst beschäftigt, dass sie an Anziehungskraft verliert. Überdies verliert die AfD auch Wähler, seitdem die Flüchtlingskrise an Dramatik verloren hat.
  3. Ferne zum Establishment Martin Schulz ist seit fast einem Vierteljahrhundert Berufspolitiker. Seit 1999 ist er Mitglied des SPD-Parteivorstands und des Präsidiums. Dennoch gelingt es ihm, in Deutschland als einer wahrgenommen zu werden, der mit dem politischen Establishment nichts zu tun hat. In einer Stimmung, in der die etablierten Parteien schwer um Glaubwürdigkeit und Attraktivität zu kämpfen haben, ist das ein großer Vorteil. Schulz selbst pflegt dieses Image, indem er öffentlich über sein fehlendes Abitur und die Phase des Alkoholismus in seinem Leben spricht.
  4. SPD-Kernthemen Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit gehört zur SPD wie die Schiffe in den Hafen. Den Sozialdemokraten ist es in den vergangenen zehn Jahren aber nicht mehr gelungen, damit wahrgenommen zu werden. Im Gegenteil: Die ewige Debatte um die Agenda 2010 hinterließ den Eindruck, dass die SPD für alles Mögliche steht, nicht aber für soziale Gerechtigkeit. Schulz’ Schwenk in der Agenda-Politik war eher ein rhetorischer, als dass substanzielle Änderungen an der Sozialgesetzgebung zu erwarten sind. Aber ihm ist es damit gelungen, die SPD wieder als Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrnehmbar zu machen.
  5. Populismus CSU-Chef Horst Seehofer erkannte die Gefahr als Erster. Kurz nach der Nominierung von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat mahnte Seehofer zur Geschlossenheit in der Union. Die Attacken aus München gegen die Kanzlerin haben seitdem aufgehört. Seehofer weiß um die Wahlkampf-Qualitäten eines Martin Schulz. Dafür sind sich die beiden in puncto Talent zum Populismus ähnlich genug. Schulz ist ein rhetorisches Talent: Er spricht in kurzen prägnanten Sätzen. Er setzt klare Botschaften, die in ihrer Wirkung weit über das hinausschießen, was er inhaltlich anzubieten hat. Der Spitzenpolitiker verfügt auch über die Fähigkeit, sich mit dem Volk gemein zu machen, viel Empathie und Emotionen an den Tag zu legen. Das kommt an.
  6. Wille zur Macht Martin Schulz ist der erste Kanzlerkandidat der SPD seit Gerhard Schröder, der glaubhaft macht, tatsächlich regieren zu wollen. Frank-Walter Steinmeier, der im März als Bundespräsident ins Schloss Bellevue einzieht, konnte 2009 seine Achtung vor der Kanzlerin immer nur schlecht verbergen. Bei Peer Steinbrück drängte sich der Eindruck auf, dass er sich auf das Kanzleramt durchaus einließe, aber eigentlich nicht mit dieser SPD. Als sich Steinbrück zum Ende des Wahlkampfs 2013 für ein Magazin mit Stinkefinger ablichten ließ, verstand die Öffentlichkeit die Botschaft: Der will gar nicht Kanzler werden. Schulz hingegen verströmt den Machtwillen aus jeder Pore. Hilfreich für ihn: Als Europa-Parlamentspräsident hat er schon gezeigt, dass er trotz seines vulkanischen Temperaments auf internationalem Parkett trittsicher ist.
  7. Matthäus-Prinzip Schon in der Bibel steht: “Wer hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe.” In vielen wissenschaftlichen Studien konnten Forscher nachweisen, dass dieser auch gemeinhin verbreitete Eindruck korrekt ist. Mit einem Kickstart in die Kanzlerkandidatur hat sich Schulz in den Umfragen nach oben katapultiert. Nun wird er als erfolgreich wahrgenommen. Diese Wahrnehmung wirkt sich für ihn noch einmal als Katalysator aus. Entscheidend für den Erfolg seiner Kandidatur wird sein, wie lange es ihm gelingt, eben dieses Image zu konservieren. Denn der schnelle Aufstieg birgt die Gefahr, dass die Kurven seiner Umfragewerte auch rasch wieder nervös nach unten ausschlagen. Das Zitat aus dem Matthäus-Evangelium geht noch weiter: “Wer aber nicht hat, von dem wird auch das genommen, was er hat.”
Quelle: RP

Related News

Search

Get best offer

Booking.com
%d bloggers like this: